Talentscouting als Dominoeffekt unter Schüler*innen

Als Birgit Gerdes sich entschied Lehrerin zu werden, arbeitete sie bereits viele Jahre in einem Krankenhaus als Medizinisch-technische Radiologieassistentin. Inzwischen unterrichtet sie seit 20 Jahren an der Gesamtschule Leverkusen-Schlebusch Deutsch und Sozialwissenschaften. „Die Sichtweise auf den Menschen ist in den zwei Berufen durchaus unterschiedlich, jedoch ist es für meinen Blickwinkel als Lehrerin sehr hilfreich, in einer ganz anderen Sparte gearbeitet zu haben.“

Als Oberstufenkoordinatorin begleitet, motiviert und berät sie Schüler*innen in den letzten drei Jahren vor der Abiturprüfung und pflegt Kooperationen mit externen Angeboten. Die individuelle Förderung im NRW-Talentscouting passt für Birgit Gerdes ideal in das Profil der Gesamtschule, die auch auf Individuelle Lernzeiten für Schüler*innen setzt. 

Ein Interview mit Birgit Gerdes, Lehrerin und Koordinatorin des Talentscoutings an der Gesamtschule Leverkusen-Schlebusch

Vor ihrem Lehramtsstudium haben Sie in einem anderen Bereich gearbeitet.

Ich habe nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin gemacht und insgesamt zwölf Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Die Routine hat mich irgendwann eingeholt und die Alternative wäre ein Medizinstudium gewesen. Ich wollte aber nicht noch weitere Jahre in einem Krankenhaus verbringen und hatte Lust etwas zu machen, das mich wirklich interessiert. Damals war die Ausbildung nicht wirklich geplant, eigentlich wollte ich lieber studieren. Eine richtige Erfüllung war die Ausbildung nie. Da ich nicht genau wusste, ob ich als Lehrerin sofort einen Job bekommen würde, habe ich im Studium nebenbei weiter in meinem Beruf gearbeitet. So konnte ich mir auch mein Studium finanzieren. Nun arbeite ich seit meinem Referendariat an der Gesamtschule Leverkusen-Schlebusch – und das sehr gerne.

Was macht die Gesamtschule Leverkusen-Schlebusch (GLS) aus?

An der GLS fördern wir die Entwicklung von knapp 1500 Schüler*innen zu Persönlichkeiten, die neugierig und verantwortungsvoll ihrer Umwelt begegnen, die fachlich kompetent handeln und die mit sich und anderen respektvoll umgehen. Wir schätzen individuelle, soziale und kulturelle Vielfalt als Ausgangspunkt gemeinsamer Lernprozesse. Wir unterstützen benachteiligte Kinder und Jugendliche, individuelle, soziale oder kulturelle Lernbarrieren zu überwinden, damit alle ihre Fähigkeiten unabhängig von ihrer Herkunft entfalten können. Großen Wert legen wir darauf, selbstständiges Lernen in unsere Unterrichtsplanung und Organisation, einzubringen. Vor ein paar Jahren haben wir in der Sekundarstufe I die Individuellen Lernzeiten eingeführt. Diese ermöglichen es unseren Schüler*innen, in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch Dinge nach ihren Fähigkeiten eigenverantwortlich und selbstständig zu lernen und in ihrem eigenen Lerntempo zu erarbeiten. Was wiederum eine wichtige Voraussetzung für den Einstieg ins Berufsleben oder ins Studium ist.

Ihre Schule kooperiert seit etwa drei Jahren mit dem NRW-Talentscouting der TH Köln.

Der Kontakt entstand über unseren früheren Berufswahlkoordinator. Talentscout Sebastian Hopp hatte sich daraufhin bei uns vorgestellt und wir fanden das Konzept des Talentscoutings sehr überzeugend. Besonders die individuelle ergebnisoffene Förderung hat uns sehr gefallen. Das Talentscouting ist damit bestens für unsere Schule geeignet und passt sehr gut in unser Schulprofil. Zu Beginn des Schuljahres informieren wir in der Oberstufe, sprechen Schüler*innen aber auch gezielt für die Teilnahme am Talentscouting an. Das hat tatsächlich den größten Erfolg. Leider ist es so, dass viele Schüler*innen erstmal nichts mit dem Begriff Talentscouting anfangen können und sich nicht als Talent sehen. Sobald die Schüler*innen dann aber im Gespräch mit unserem Talentscout sind, sehen sie es als wertvolle Ergänzung und als durchaus gewinnbringend an. Das Talentscouting bietet neben der Berufsberatung viele andere nützliche Tipps und wird aufgrund der individuellen und auf die Bedürfnisse der Schüler*innen angepassten Begleitung besser angenommen. Es gibt auch an unserer Schule leider häufig Schüler*innen, die von zuhause keine perfekte Unterstützung erhalten können, weil sich die Eltern vielleicht selbst nicht mit allen Themen auskennen. In solchen Fällen ist eine Unterstützung durch einen persönlichen Talentscout besonders wichtig.

Welche Effekte hat das Talentscouting Ihrer Meinung nach bei Talenten?

Je näher die Schüler*innen auf ihr Abitur zugehen, desto besser wissen sie, welche Perspektiven sich bieten und wie sie Ziele erreichen können. Die Haltung der Schüler*innen verändert sich dadurch grundsätzlich und sie verfolgen ihre Ziele fokussierter. Sehr wertvoll ist, dass die Begleitung nach der Schule mit nützlichen Tipps zur Ausbildung, zu Fachhochschule oder Universität weitergeht. Um das Talentscouting an der Schule zu integrieren haben wir ein bisschen Zeit gebraucht. Es war etwas völlig Neues. Mittlerweile ist es aber in einem festen Kolleg*innenstamm angekommen und die Schüler*innen berichten sich gegenseitig von ihren Erfahrungen. Diese Art Netzwerk ist viel effektiver als wenn wir den Schüler*innen das Talentscouting empfehlen. So entsteht ein Dominoeffekt, der sich in der Schülerschaft ausbreitet, denn sie geben ihre positiven Erfahrungen weiter. Gibt es Talente, die Sie besonders beeindrucken? Es gibt viele Schüler*innen, die mich nachhaltig beeindrucken. Eine dieser Schüler*innen haben wir für ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes vorgeschlagen. Mich macht glücklich, dass sie nun Stipendiatin ist. Sie kommt gelinde gesagt aus schwierigen familiären Verhältnissen und muss sich seit der 10. Klasse um sich selbst kümmern. Durch die große Unterstützung, besonders durch das Talentscouting, hat sie einen sehr guten Weg eingeschlagen und studiert nun.

 

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